Geschichten berühren. Und wie. Ich habe für Radio Lippe Welle Hamm ein Interview mit 2 Flüchtlingen geführt. Nein, Interview kann man das nicht wirklich nennen, denn die beiden haben mir ihre beeindruckende Geschichte von Flucht, Angst und Ungewissheit erzählt.
Flüchtlinge aus Somalia und Tadschikistan
Etwas verschüchtert steht er da. Er möchte seine Geschichte erzählen, damit die Menschen in seine neuen Umgebung ihn ein wenig besser verstehen und kennen lernen können. Er, das ist Suleman, ein Flüchtling aus Somalia. Er hat viel Gewalt erlebt und er erzählt so nüchtern davon, als habe ihn all das über die Jahre abgestumpft. Suleman ist nicht emotionslos, aber er erzählt so, als würden wir abends leicht erschöpft von unserem Arbeitstag berichten. Was für uns hier unvorstellbar ist, für Suleman war es Alltag.
„Everywhere there was too much war“
Die Al-Shabaab-Milizen kontrollieren Teile Somalias. Sie haben viel Leid über Sulemans Familie gebracht, einige Verwandte wurden umgebracht. Für Suleman war es unmöglich, dort weiter zu leben, also flüchtete er. Der beschwerliche Weg führte von Somalia, durch Äthiopien, den Sudan, durch die Sahara und Libyen bis an die Küste des Mittelmeers. Allein dieser Teil der Flucht dauerte mehrere Monate, denn überall war Suleman illegal, unerwünscht und musste auf den passenden Zeitpunkt warten, um die nächste Grenze zu überqueren. In Libyen lebte er zum Beispiel in einer Polizeistation – aus Angst vor Übergriffen.
„In Lybia they put me in the police station, I lived for 9 months in the police station“
Schließlich bestieg er ein Flüchtlingsboot, das ihn nach Italien brachte. 4 Tage hockte Suleman mit vielen anderen Flüchtlingen in einem kleinen Boot auf dem Mittelmeer und überlebte die gefährliche Überfahrt. Am Ende einer langen Flucht kam Suleman schließlich nach Deutschland, nach Hamm. Jetzt hofft er, hier bleiben zu dürfen und Arbeit zu finden. Auch das ist kein einfaches Unterfangen, aber kein Vergleich zu einem Leben in ständiger Angst.
„I think if they give me a job and the government will give me papers, I think my future will be good“
Ein politischer Flüchtling aus Tadschikistan
Mir hat er seinen Namen verraten, öffentlich möchte er ihn nicht nennen, denn er hat Angst vor der tadschikischen Regierung. Wenn er anfängt über sein Heimatland zu sprechen, wird er sehr emotional. Er wird wütend. Wütend auf das, was die Regierung der Bevölkerung antut.
„In my country, in Tadschikistan, we don´t have the right to live like normal people. We only have a chance if we go far away from our country“
Der junge Mann wirkt trotz eines Lebens voller Diskriminierung und Unterdrückung sehr klar, sehr aufgeräumt. Er ist hochintelligent, hat Jura und Marketing studiert, spricht fünf Sprachen fließend und lernt so schnell Deutsch, dass er nach 2 Monaten in Deutschland besser zu verstehen ist, als so mancher deutsche Muttersprachler. Und er hat Ziele.
„I want to work. I want to pay my taxes and I don´t want to take money from social. I´m ready to work, because I am a healthy man. I can do many jobs“
Er ist Deutschland sehr dankbar und er möchte etwas zurückgeben. Flüchtlinge sind ein großes Potential für Deutschland, sagt er.
Flüchtlinge sind mehr als nur Zahlen
Mich haben diese sehr persönlichen Gespräche mit den beiden Flüchtlingen unglaublich berührt. Sie kommen aus unterschiedlichen Ecken dieser Erde und sind aus unterschiedlichen Gründen zu Flüchtlingen geworden. Und wenn man mit ihnen spricht, ihre Geschichte hört, dann sind sie vor allem eins: keine wenig greifbaren Zahlen in irgendwelchen Statistiken, sondern Menschen.